Mehr lesen: Tagungsfokus
Mit ‚Partizipation‘, ‚Mehrsprachigkeit‘ und ‚Digitalisierung‘ liegt der Tagungsfokus auf drei zentralen Themenfeldern des aktuellen Sprachenunterrichts, die neue Herausforderungen und Chancen bergen: Im Kontext sprachlicher und kultureller Hybridität gewinnt Sprachenlernen und -lehren als lebenslanger Prozess an Bedeutung. Aufgabe der Schule ist es, die vielfältigen Vorerfahrungen, Stärken und Identitäten der Lernenden als Potenziale zu erkennen und methodisch-didaktisch angemessen zu fördern, aber auch auf eine Zukunft vorzubereiten, in der neue, digitale Formen der Interaktion und Kollaboration eine wichtige Rolle spielen werden. Dies ist Voraussetzung für eine bewusste und erfolgreiche Partizipation in realen und virtuellen Kommunikationsräumen, die sich dynamisch verändern und über die Klassenzimmer hinaus erweitern. Um zu verdeutlichen, welche Weichenstellungen für einen zukunftsfähigen Sprachenunterricht im Primar-, Sekundar- und Tertiärbereich kurz- und mittelfristig erforderlich sind und welche Konsequenzen für Lernende und Lehrende sich daraus ergeben, sollen die genannten Bereiche sowohl themenspezifisch als auch themenübergreifend untersucht, diskutiert und reflektiert werden.
Dabei ist Partizipation ein generelles Ziel des Unterrichts in allen Fächern, wobei in den Fremdsprachen vermehrt Diskurskompetenz, erfolgreiche Kommunikation, kulturreflexive Kompetenz und die Teilhabe an Aushandlungsprozessen in und zwischen den Zielsprachen und -kulturen hinzukommen. Insbesondere geht es um die Beteiligung an der Schulgemeinschaft für alle Lernenden (Inklusion), die aktive (Mit-)Gestaltung der eigenen Lernerfahrungen (Lerner:innenautonomie), die Partizipation am gesellschaftlichen und politischen Leben (politische Bildung), zunehmend auch auf einem globalen Level (Englisch als Lingua Franca, globale Herausforderungen und Bildungsziele) und die kompetente Nutzung der zur Verfügung stehenden Kommunikationsformen und Medien (Medienerziehung, digitale Kompetenzen). Was diese Kontexte verbindet, ist der pädagogische Auftrag, Lernende aktiv einzubinden und mitgestalten zu lassen, damit sie sukzessive mehr Verantwortung für gemeinschaftliche Aktivitäten übernehmen können.
Mehrsprachigkeit, verstanden als ein in kulturelle Entwicklungen eingebettetes Phänomen, das durch soziobiografische, gesellschaftliche oder politische Faktoren beeinflusst wird, ist ein Schlüsselmerkmal von Gesellschaften, Institutionen, Gruppen und Individuen. Die individualisierte Förderung von Mehrsprachigkeit, als Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe, wird damit zu einer Kernaufgabe des (schulischen) Sprachenunterrichts, in dem formelles und informelles Sprachenlernen aufgrund heterogener Vorkenntnisse der Lernenden zunehmend ineinanderfließen. Um individuelle Mehrsprachigkeit als Ressource für weiteren Spracherwerb aufzuwerten und adaptiv zu fördern, stellt sich jedoch weiterhin die Frage nach der Konzeptualisierung einer alters- und entwicklungsadäquaten sprachlichen Bildung, die ideologische Zugänge hinterfragt und Partizipation sowie soziale Gerechtigkeit im Blick hat. Auch die Erforschung und Entwicklung sprachenübergreifender ressourcenvalorisierender Konzepte und entsprechender adaptiver Lehr- und Lernmedien sowie organisatorische und curriculare Maßnahmen für eine ganzheitliche Sprachenbildung sind nach wie vor ein dringendes Desiderat.
Auch die digitale Transformation, die durch die COVID-19-Pandemie und den Einsatz künstlicher Intelligenz in Anwendungen wie ChatGPT massiv beschleunigt wurde, wirkt sich signifikant auf die Gestaltung von Sprachenunterricht aus. Die Lernenden zur aktiven Teilhabe am beruflichen und gesellschaftlichen Leben durch den Auf- und Ausbau digitaler Kompetenzen zu befähigen ist daher ein wichtiger Bildungsauftrag, dem sich auch die Sprachendidaktik stellen muss. Sie ist weiterhin gefordert, ihr Aufgabenfeld kontinuierlich zu erweitern und im Austausch mit der Unterrichtspraxis zu konkretisieren, wodurch sich neue Fragen, u.a. nach KI-Assistenzen oder adaptiven Lernangeboten, stellen. Es gilt zu diskutieren, welche Wege die Sprachendidaktik dafür beschreiten muss, welchen potenziellen Mehrwert digitale Hilfsmittel für das Lehren und Lernen von Fremd- und Zweitsprachen bieten und welche Potenziale in neuen Lehr-Lern-Kontexten liegen.
Themenspezifische und themenübergreifende Leitfragen:
- Wie können die Grundlagen für lebenslanges Lernen und Autonomie bereits in der Schule gelegt werden?
- Welche pädagogisch-didaktischen Ansätze können zu einer stärkeren Beteiligung der Lernenden fhren? Welche Rolle kommt dabei der Digitalisierung zu?
- Wie bedingen sich Differenzierung, Inklusion und Partizipation?
- Wie kann das Unterrichtsprinzip ‚Politische Bildung‘ im Sprachenunterricht verankert werden?
- Wie kann Mehrsprachigkeitskompetenz im Unterricht nachhaltig aufgebaut und gefördert werden?
- Welche Ansätze, Verfahren und organisatorische Maßnahmen eignen sich, um lerner:innenseitige Ressourcen, die heterogene kulturelle und sprachliche Vorkenntnisse und Vorerfahrungen einschließen, zu valorisieren?
- Welche Sprachideologien vertreten Lehrende, Lernende, Eltern, Arbeitgeber:innen, Politiker:innen?
- Wie kann Lehrer:innenbildung auf mehrsprachigkeitsorientierten Unterricht vorbereiten?
- Welche konzeptionellen Veränderungen des Fremdsprachenunterrichts bringt die Digitalisierung mit sich?
- Wie können die Potenziale von Fremdsprachenlernenden durch digitale Tools gefördert werden?
- Welche Konsequenzen resultieren daraus für die Auswahl von Inhalten und die Gestaltung von Lernumgebungen und Lehr- und Lernmaterialien?
- Welche Konzepte der Lehrer:innenbildung werden den Anforderungen des digitalen Zeitalters bereits gerecht? Welche müssen adaptiert oder neu entwickelt werden?